Sonntag, 8. Februar 2009

23.12.2008-06.01.2009 SULAWESI – Die wilde Orchidee(Tanah Toraja)

TEIL 1 Tanah Toraja



Über die Weihnachtsferien und Neujahr habe ich mit Maria Sulawesi bereist und bin aus dem Staunen gar nicht mehr heraus gekommen! Wer eine Karte Sulawesis betrachtet, stellt fest, dass die Nord-Östlich gelegene Insel eine sehr ausgefallene Form hat und fast einer Orchideenblüte ähnelt. Früher war vor allem die Hafenstadt Makassar bei Piraten und Handelsflotten beliebt, heute ist das Volk der Kopfgeldjäger, Fischer und Seenomaden schon lange durch die Holländer „befriedet“ worden. Dennoch ist Sulawesi noch immer eine exotische Insel voller Wunder, bei weitem nicht so dicht besiedelt wie Java, und wartet mit einer aussergewöhnlichen Tier- und Pflanzenwelt auf. Da die Insel von Tiefgräben (der sogenannten Wallace-Linie) umschlossen ist, konnten sich dort etwa 98 Prozent der einheimischen Säugetiere endemisch entfalten, d.h., sie kommen nur dort vor (handtellergroße Schmetterlinge, scheue Kleinbüffel und exotische Blumen). Wir begeben uns in eine Inselwelt, die voller seltsamer Dinge steckt, die ich noch nie gesehen und erlebt habe…



Dies alles sind die Fotos, die ICH gemacht habe. Marias Fotos (wo ich öfter drauf bin) kommen auch irgendwann mal rein...





Weihnachten in Tanah Toraja



Nachdem wir nach einigem Geplänkel (Maria hat Ärger am Sicherheitscheck, Tanja geht aus Versehen aufs Männerklo) in Makassar angekommen sind, übernachten wir dort und schauen uns ein bisschen um – wobei wir dann beim Tretbootfahren landen(„Mau naik Bebek?“ Wollt ihr mit der Ente fahren?). Nachdem unser Versuch, den Eiskaffee in Indonesien einzuführen kläglich gescheitert ist (was ist so schwer daran ne Kugel Vanilleeis in nen kalten Kaffee zu werfen?!?) machen wir uns in Richtung Tanah Toraja auf. Natürlich sind alle Busse schon voll (die Toraja sind Christen und feiern Weihnachten mit der ganzen Familie) und so landen wir in einem Kleinbus. Nicht schlecht, denken wir, ein 6 Sitzer müsste doch bequem sein – hahaaaa: da sollen 10 Leute rein! Wir fahren die ganze Nacht durch, einer der Indonesier kotzt die ganze Nacht durch.







Als wir in Rantepao ankommen dämmert es schon fast wieder, wir sind todmüde und finden nach einigem Herumirren in dunklen Hinterhöfen und der Flucht vor bellenden Hunden doch noch unser Hotel. Der Ausblick am Morgen entschädigt für vieles und es gibt Toast zum Frühstück. Wir fahren Tuk-Tuk, eine lustige Konstruktion aus Motorrad und Fahrgastkabine, schneller und bequemer als die Bejaks in Yogya. Ausserdem hat mein kein schlechtes Gewissen, weil der Fahrer nicht selbst treten muss. Wir leihen uns einen Roller und flitzen ins Dorf Merante, wo wir sofort eine Beerdigungszeremonie miterleben dürfen (leider schon fast zu Ende). Danach geht’s auf zum Fledermausbaum, direkt neben alten Clan-Häusern der Toraja. Die Fledermäuse haben eine Flügelspannweite von etwa einem Meter und machen einen Höllenlärm. Ich fühle mich fast wie bei Jurassic Park und den Flugsauriern! Abends trinken wir auf unserem Balkon eine Flasche Rotwein, die Maria mitgebracht hat und beschenken uns mit Oberteilen, die wir auf dem Markt in Makassar gekauft haben. Die Bewohner lassen in Rantepao ein paar Raketen steigen, wir hören WHAM! „Last Christmas“ auf meinem Handy an, telefonieren kurz mit unseren Lieben. Dann ist Heilig Abend auch schon wieder vorbei… Leider ist Maria am nächsten Tag krank und kann mit ihrem Fieber nicht viel anstellen. Also mache ich mich mit meinem Guide Luther (jaja, alles Protestanten hier) auf, um das Land der Toraja kennenzulernen...







Fledermaus-Baum mit riiieeesigen und lauuuuten Viechern!









Unterwegs in Tanah Toraja

Die Tour am ersten Tag führt uns nach Norden, den zweiten Tag waren wir im Süden unterwegs. Das Hochland ist für seinen Kaffee bekannt, jedoch noch besser für seine zahlreichen, aufwändigen Toten – Riten. Ich versuche das Wichtigste in Worte zu fassen, wobei man vieles nicht verstehen kann, wenn man nicht selbst dabei war: Für die Toraja ist der Tod zugleich der Höhepunkt des menschlichen Lebens. Die Sadang- Toraja sind Christen, sie glauben also an ein Leben nach dem Tod. Es gibt 3 verschiedene Kasten, 1.die Tokapua, 2.die Tomakaka und 3.die Tobuda. Je höher die Kaste, umso prächtiger und aufwendiger fällt die Totenzeremonie aus, kann sogar mehrere Tage dauern oder zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt werden. Das eigens dafür errichtete Bestattungsdorf besteht aus mehreren Hütten, in denen Gäste, Familie und schaulustige Platz finden (die Toraja sind sehr freundlich und laden auch gerne Touristen ein). In der Mitte befinden sich ein Platz, auf dem Büffelkämpfe ausgetragen werden und eine Statue, die den Verstorbenen repräsentieren soll. Hoch über allem weltlichen thront der gold-rot verzierte Sarg mit dessen Überresten.







Tanah Toraja ist bekannt für seine Wasserbüffel. Die Tiere arbeiten nicht nur, sie sind fast wie Freunde und werden täglich liebevoll gefüttert, im Fluss gebadet und an einem Strick geführt (fast wie Gassi-gehen, hehe). Umso trauriger sollte der Besitzer also sein, wenn er seinen Büffel auf einer Bestattungsfeier opfern lässt. Doch die Toraja geben gern (natürlich wird erwartet, dass die Familie des Toten später dann ebenfalls ein Opfer darbringt und so wird alles akribisch genau notiert) und so werden in der 1.Kaste bis zu 100 Wasserbüffel und Schweine geopfert, die dem Toten im nächsten Leben dienen sollen. Besonders sind die schwarz weiß gefleckten Büffel, die um die 7.000€ kosten können, ein Kleinwagen!! Preiswerter sind die schwarzen Büffel für 2.000€, ein großes Hängebauchschwein kostet etwa 200€. Viele Familien kaufen bereits Jungtiere, wobei sich die 3.Kaste manchmal auch nur einen Hahn zur Opferung leisten kann.



Die Zeremonie wird begleitet von Tänzen (in traditionellen gold/orange und schwarzen Kleidern), Essen, Tuak (Palmwein) trinken oder einfach nur quatschen und rumhängen. Es wäre zu mühselig alle Einzelheiten im Detail zu beschreiben, ich war z.B. auf einer Feier eines sehr reichen Mannes und dort wurde ein riesiger Menhir (Felsstein) aus dem Wald gezerrt und mit Hilfe des ganzen Dorfes auf dem Büffelopferplatz („rante“) aufgestellt. Alle Menschen sind fröhlich, werden von der Familie mit Tuak , Kaffe, Tee und Zigartetten versorgt und natürlich gibt es auch Schwein für alle. Ich war absolut fasziniert, aber auch teilweise geschockt. 50(!) Büffelköpfe nebeneinander liegen zu sehen, das viele Blut, die Häute und die Fliegen – da braucht man schon einen starken Magen! Ich habe auch Papiong probiert (Gemüse und Büffelfleisch werden in einem Bambusrohr gebraten, dazu gibt es schwarzen Reis) und mit den Männern Tuak getrunken, was die natürlich ganz lustig fanden (no nie a trinkfestes, bayerisches Madel erlebt?!).



Hier ein paar Eindrücke vom "cruisen" (mein armer, armer Hintern)...







Banua Tongkonan

Eine ältere Frau hat mich in ihr Banua Tongkonan (Clan-Haus) eingeladen, wo sie mit ihrem Mann, Kindern und Enkeln lebt. Natürlich nicht ohne Hintergedanken, ich hab ihr natürlich ein paar Souvenirs abgekauft. Was sofort auffällt, sind die gebogenen Dächer, die an Büffelhörner erinnern. Da die Vorfahren der Toraja Seefahrer waren, kann die Form jedoch auch einem Schiffsbug nachempfunden sein. Die Vorderfront ist immer nach Norden ausgerichtet und mit Büffelhörnern verziert (je reicher, umso mehr Büffelopfer, umso mehr Hörner). Der einem Hahn ähnliche Vogel soll australische Ursprünge haben, wobei ich mich da nicht wirklich mit auskenne. Das Haus besteht aus Holz, es werden keine Nägel verwendet. Ausserdem gehört zu jedem Haus auch ein Reisspeicher, der meist gegenüber steht. Ich hab alles fotografieren dürfen, auch Küche und Schlafzimmer und zum Dank (und weil das erwartet wird) ein paar Souvenirs gekauft. Es lohnt sich, die Menschen dort zu unterstützen, da leider nicht mehr viele Dorfbewohner in den alten Häusern wohnen wollen und lieber in das moderne Rantepao ziehen wollen. Um zu verhindern, dass die Tongkonan nur noch als Touristenattraktion fungieren, bietet die Regierung ihre Unterstützung an, und verteilt u.a. Fernseher mit Sattelitenschüsseln an die Bewohner(…)







Knochen, Knochen, Knochen...



Nach der Zeremonie werden die Toten in Felsgräbern beigesetzt. Auch wenn das sich jetzt krass anhört, aber jede Felsspalte ist vollgestopft mit Knochen und Schädeln und man stopft immer mehr rein. Wenn die teilweise in schwindelnder Höhe in der Wand hängenden Särge verfaulen, fallen die Knochen in die Tiefe, überall liegen menschliche Überreste rum – und es ist ganz normal. So als wären die Toten noch immer hier und man kann sie besuchen und mit ihnen sprechen. Nicht so wie bei uns, wo alles unter der Erde liegt. Ich habe mehrere Gräber und Höhlen besucht, wobei mir anfangs schon mulmig zu Mute war, was man vielleicht auf den Fotos erkennen kann. Aber mein Guide hat mir alles erklärt, z.B. dass die aus Holz geschnitzten, lebensgroßen Tau Tau Puppen hunderte Jahre alt sind und den Seelen der Verstorbenen einen Ruheplatz geben sollen. Leider werden sie immer wieder von Kunsträubern gestohlen, wobei das Einführen nach Deutschland illegal ist. Ich halte mich da lieber an Souvenirs in Form von Armbändern oder Schnitzereien.



Der Weg über die Hängebrücke war sehr abenteuerlich...





...aber ich wusste noch nicht WIE abenteuerlich...bis ich drüben war und mich umgedreht habe...*waaahh*



Fotos von Felsgräbern





Unser Gefährt... da saßen wir zu zweit drauf!



diese drei Körper warten noch auf ihr Begräbnis, es muss noch gespaart werden



Weiter ging's zu einer anderen Felswand...







Die Tau-Tau Puppen waren noch nicht das Highlight der Tour. In der nächsten Höhle kam ich den Verstorbenen ganz nahe...Vor den Toten muss man sich ja bekanntlich nicht mehr fürchten. Aber komisch war's schon...





Sein oder nicht sein...?







Wir waren mit dem Sepeda Motor auch noch auf einer Panorama- Strasse in den Bergen unterwegs (die teilweise eher ein steiniges Flussbett war und meinen Hintern ziemlich strapaziert hat) und ich habe eine Ruhestätte der ganz besonderen Art besucht: Wenn ein kleines Baby stirbt, das noch keine Zähne hat, so wird es in einem Baumstamm beigesetzt. Mein Führer meinte, dass dann der Baum dem verstorbenen Kind Milch zuführt. Es gibt nur sehr wenige solcher Bäume die der Öffentlichkeit zugängig sind, da diese Orte „suci“, also heilig sind. Ein sehr friedlicher, melancholischer Ort...



Baumgräber in Pabaisenan







Markt in Sangalla



Was mir noch gut gefallen hat, war der bunte Markttag, auf dem man Süßigkeiten, Fisch und Gewürze, Kleidung und Kaffee(frisch gemahlen mit einer selbst gebauten Maschine) und allen möglichen Kram kaufen konnte.







Zeremonie in Bori



Wenn ein hochrangiger Dorfbewohner stirbt muss natürlich ein anständiges Spektakel für seine Seele betrieben werden.

Hier wird gerade ein riesiger Menhir aus dem Wald gezerrt. Er soll auf dem Büffelopferplatz in Bori aufgestellt werden, wo schon mehrere andere Felsen in einem Kreis angeordnet sind. Das ganze Dorf hilft bei der Zeremonie mit, jeder zerrt und schiebt, es werden Zigaretten und Kaffee an die Helfer verteilt, ein Schwein wurde auch schon geschlachtet. Einer hat das Megafon und gibt mehr oder weniger schlaue Anweisungen ("Schiiieeebt! Nein, nicht so! Schiieeben nicht ausruhen!") und wenn gar nichts mehr geht dann schüttet eine alte Ibu ein bisschen Opfergaben zwischen Boden und Baumstamm. Naja, wenn's beim Rutschen hilft...





Pak Gong gibt den Rythmus an... ein ganz schöner Brocken... noch tut sich nicht wirklich was... bevor die freundlichen Bori Bewohner mir was von dem zerstückelten Schwein hier anbieten wollen flüchte ich lieber schnell...



Unterwegs...



Ich habe Unmengen Fotos gemacht, aber wie gesagt: So richtig nachvollziehen kann man vieles nur, wenn man selbst vor Ort war. Jedenfalls ist es schon einmalig, an einer so völlig anderen Kultur teil zu haben. Wenn es früher ein Volk von Kopfgeldjäger war, dann sind die Toraja heute überwiegend eines: freundlich, fröhlich und immer dazu bereit, dir einen Becher Tuak zu reichen…



Ein kleiner Erdrutsch hält so leicht niemanden auf! Eine Straße ist eine Straße... Pa piong - Büffelfleisch und Gemüse, im Bambusrohr gegrillt mit schwarzem Reis*njam*

Nach 4 Tagen Tanah Toraja ging die Reise weiter Richtung Norden. Auf zu den Togean Islands!