Samstag, 27. September 2008

23.09.08 Teil Zwei: The Place To Be

Endlich ist es soweit: Ich werde das erste Mal an den Strand fahren und das Meer sehen! Es ist wirklich eine Last Minute Aktion, als ich am Donnerstag Nils und François (wohnen beide im Kos gegenüber, Nils studiert mit mir, François kommt aus Paris )im Parsley treffe und sie mir erzählen, dass sie übers Wochenende nach Pangandaran wollen. Pangandaran ist einer der beliebtesten Strandorte Javas, eignet sich gut zum Surfen und man hat dir Wahl zwischen weißem Sand oder braunem Sand. Zudem ist es dort wesentlich günstiger als auf Bali. Obwohl Pangandaran und Umgebung am 17.7.2006 vom Erdbeben und der darauffolgenden Flutwelle schwer getroffen wurde, ist mittlerweile wieder der Alltag eingekehrt. Ich bin am Hin- und Her überlegen, ob ich mit fahren soll, da ich eigentlich ein bisschen Vokabeln lernen will und die Beiden noch am selben Abend los wollen. Aber als Nunu und Alan meinen, sie kommen ebenfalls mit, steht mein Entschluss fest: Raus aus der Großstadt, raus zum Strand! Ich kaufe mir in letzter Minute ein Zugticket, umgerechnet für zehn Euro, 1. Klasse. Zwei Stunden später sitze ich im Nachtzug um halb elf, mit mir Nils, François und sein Surfboard. Der Zug ist unbeschreiblich laut, ich bin müde und mir wird schlecht bei dem Gedanken, dass wir erst gegen fünf Uhr morgens ankommen werden. Als wir um halb drei nachts am Bahnhof in Banjar ankommen bin ich ziemlich kaputt, aber auch aufgeregt. Wir haben nämlich keine Ahnung, wie wir von hier nach Pangandaran kommen sollen, da eventuell kein Nachtbus mehr fährt und wir noch drei Stunden vom Strand entfernt sind. Am Bahnhof quatschen uns drei Bejak-Fahrer an, es seien 4 Kilometer zum Bus-Terminal. Na toll! 4 km mit dem Bejak, da wird ich arm, ausserdem wie soll François Board das überstehen? Als wir abwinken wollen, meint plötzlich ein Bejak – Fahrer dass er da jemanden mit einem Minibus kennt, der uns für 350.000 RP mitnehmen würde. Da wir die Summe eh durch drei teilen werden, was für jeden dann etwa acht Euro wären, und wir ewig müde sind, nehmen wir an. Als ich in den Bus steige, bin ich am Grübeln, ob ich die Fahrt überleben werde. Noch schnell einen Bekannten aus dem Bett geklingelt, 20 Liter Benzin in den laufenden Motor gekippt und es kann los gehen…Der Fahrer scheint übermüdet, betrunken, wahnsinnig oder alles zusammen zu sein, ich kann ihm jedenfalls nicht beim Fahren zusehen. Die Dunkelheit gibt nicht viel preis, doch die vielen Palmen, ländlichen Häuser und die kaputte Strasse sprechen für sich: ich bin am A.... der Welt! Nach 2,5 Stunden unruhigem Einnicken und gerüttelt werden sind wir endlich in Batukaras, einem kleinen Dorf westlich von Pangandaran. Doch wo ist unser Hotel? Eigentlich hätten mich der uralte Lonley Planet (Reiseführer)von François und die Tatsache, dass sich unter der angegebenen Telefonnummer keiner meldet, schon stutzig machen sollen. Das Hotel gibt es nicht mehr, weggespühlt! Dafür gibt es das JAVA CAVE BEACH HOTEL, mit Minibar und auf den ersten Blick zu teuer. Doch wir sind nur froh, ein Bett unter dem Hintern zu haben und checken ein. Es ist halb sechs Uhr morgens und schon wieder hell als ich ins Bett falle und die Wellen mich in den Schlaf singen… Am nächsten Morgen bin ich wie gerädert, doch die Jungs wollen unbedingt schon um acht frühstücken und sich danach gleich zwei Sepeda Motor ausleihen, um nach Pangandaran fahren zu können. Ich sitze hinter Nils und staune über alles was ich sehe: Reisfelder, riesige Stiere, Kinder im Alter von maximal neun Jahren auf Motorrädern (Helm? gibt‘s hier nicht), Schlaglöcher in der Größe eines Vorgartens und viele, viele, oh, sooo viele Palmen mit Bananen und Kokosnüssen und…ich bin ganz hin und weg! Der Weg nach Pangandaran ist weit, aber er lohnt sich. Als wir am Meer ankommen sind kaum Touristen da, nur Boote liegen auf dem Sand und Netze und es riecht penetrant nach Fisch und Seegras. Durch Nachfragen und dem Löhnen von etwa 50 Cent erfahren wir vom weißen Sandstrand und wir müssen etwa zehn Minuten durch einen kleinen Wald klettern. Nils ist ganz begeistert, als er entdeckt, dass es hier Affen gibt. Leider haben wir nichts zu essen dabei, trotzdem werden unsere Taschen neugierig durchsucht. Als wir um die Ecke der Küste biegen, wissen wir sofort: Hier sind wir richtig! „That’s the place to be, man!“ Keiner widerspricht mir… Nachmittags gehen wir zu Bu Surman, die uns trotz Ramadan ein Gedicht an Sea Food serviert! Es gibt Shrimps, udang (Krabben), kepiting (Krebs), cumi (Tintenfisch) und ikan(Fisch). Dazu Gemüse, Sambal Soße und Nasi. Ich glaube in Deutschland müsste man dafür hundert Euro löhnen, hier zahlt jeder ungefähr fünf Euro. Nils isst von Freitag bis Montag so viel udang, dass ich ihn nur noch „King of Prawns“ nennen werde. Danach fahren wir zurück nach Batukaras und stürzen uns dort gleich wieder ins Wasser. Man kann wegen der hohen Wellen und der starken Strömung nicht weit raus schwimmen, aber dafür herrlich surfen und drin rum planschen. Nachdem François gleich mal mit einer Qualle Bekanntschaft macht, überlege ich mir das mit dem Surfen nochmal…aber es reizt mich schon. Am Abend gibt’s nochmal Sea Food für alle und nach einem netten Gespräch mit Paul (Australier, ihm gehört das JAVA CAVE) und seiner Frau, einer Flasche Whiskey und Cola später lässt es sich wunderbar schlafen. Am Samstag kommen Nunu und Alan nach, jetzt sind wir vollzählig und verbringen den Tag zusammen in Batukaras. Wir essen erstmal Bananen- und Ananas- Pfannkuchen zum Frühstück, ich trinke natürlich Jus Jeruk (Saft aus Zitrusfrüchten, sooo lecker!) und danach geht’s an den Strand. Nils versucht zu surfen, da er aber nach bereits einer Stunde später wund am Bauch und total kaputt ist, beschließe ich erst dann zu surfen, wenn ich einen Monat Training im Plaza hinter mir habe. Stattdessen beobachte ich die vielen kleinen Krabben, die hier Löcher in die Erde schaufeln. Abends sitzen wir mit mehreren Franzosen und Indonesiern am Strand, Valentin versucht ein Feuer zu machen, scheitert jedoch kläglich weil es einfach zu wenig Brennholz gibt (die Indonesier sammel alles ein). Tita spielt Gitarre und zeigt mir ihr „Haustier“, einen Zwerglemur namens Gismo. Ich bin sofort verliebt und bereue es, keine Fotos gemacht zu haben! Die riesigen Augen und kleinen, weichen Finger! So süß! Tita meint, in Yogyakarta könnte ich sicher einen Lemur auf dem Tierbasar kaufen, aber ich winke ab: erstens kann ich ihn eh nicht mit nach Deutschland mitnehmen und zweitens würde er vom deutschen Essen nur fett werden und vom Baum fallen… Apropos vom Baum fallen: Wir sitzen an einem Abend gemütlich auf der Veranda unseres Hotels, da macht es plötzlich PFLATSCH! Und ein ca. 30 cm großer Gecko (Tokek) fällt direkt neben uns vom Baum! Naja, auf mir ist auch schon ein kleiner Gecko gelandet, die sitzen immer an der Decke und fressen Fliegen am Licht…schlaue, kleine Viecher! Wir sitzen noch lange am Strand, kreischen wenn die Flut uns zu nahe kommt, spielen Gitarre und rauchen einen Joint. Die verrückten Indonesier essen ein Mushroom-Omelett nach den anderen, trinken Mushroom-Tee und werden immer lustiger, bekommen Halluzinationen und weiß Gott was. Verrücktes Volk! Ich bleibe brav und verzichte auf die Erfahrung, rosa Elefanten um die Palmen fliegen zu sehen. Am Sonntag machen wir einen Ausflug in den Green Canyon, ich fühle mich wie im Amazonas: Zwei Indonesier fahren uns im Boot durch die Schlucht voller Palmen und Felsen, ich sehe Wasserschlangen und Affen, die an den Fels-Lianen hoch klettern. Und dann haben wir auch noch das Glück, einen großen Biawak (Waran) zu sehen, also, das auf dem Foto ist KEIN Krokodil (don’t worry…). Als die Schlucht immer höher und enger wird, versperrt ein riesiger Fels den Weg. Wir steigen aus, klettern in Schwimm-Sachen auf den Fels und schwimmen ca. 15- 20 Minuten durch die Schlucht, soweit es eben geht. Dass es im Wasser 3 Meter lange Aale gibt verdränge ich erfolgreich. Wir klettern eine Felswand hinauf und baden in einem ziemlich kalten Wasserbecken. Man sagt, es sei der Platz an dem die Engel baden und man wird vom Wasser schön und gesund. Naja, unser indonesischer Guide ist sicher alle zwei Tage hier und ist weder besonders hübsch noch gesund (alle Indonesier husten ein bisschen). Ich beschließe wieder hinunterzuklettern, bin ja schon sooo schön, das kann unmöglich noch besser werden*hahaha* Alan scheint weniger Selbstbewusstsein zu haben und spritzt ordentlich mit Waser um sich. Natürlich hab ich beim Schwimmen im Green Canyon keine Kamera dabei, aber manche Momente sind so unvergesslich, dass es keine Fotos braucht… Den Montag verbringen wir am Strand, es wird gesurft und gesonnt. Das Essen hier werde ich vermissen, selbst François, der ja gute französische Küche gewöhnt ist, stimmt mir zu. Nochmal eine ordentliche Portion Sea Food eindrücken, dann holt uns auch schon der Busfahrer mit seinem Schrott Vehikel ab. Nochmal 2,5 Stunden zum Bahnhof und 4 Stunden heim, dann ist es geschafft…und unser schöner Trip leider schon wieder zu ende… Das verlängerte Wochenende war sooo schön und wir nur von einem Ereignis überschattet, das mich echt geschockt hat: Auf der Heimfahrt im Zug, es ist schon 4 Uhr morgens und wir erreichen in 15 Minuten Yogyakarta wieder, dringt plötzlich ein Schrei durchs Abteil und ich höre nur: „Oh Gott! Sie will aus dem Zug springen!“ Ich denke mir nur: Scheiße, nicht in unserem Abteil! Zwei Männer versuchen eine junge Frau festzuhalten, aber sie reißt sich los und springt aus der bereits geöffneten Türe. Als wir im Bahnhof ankommen sehe ich nur die Türe, die offen steht. Indonesische Zugtüren befinden sich etwa 2 Meter über dem Boden, damit niemand aufspringen kann. Der Zug war bereits langsamer, aber hat sie überlebt? Ist sie verletzt? Hilft ihr jemand oder muss sie alleine am Rand der Gleise liegen? Ich grüble und grüble, kann aber nichts daran ändern. Als ich Dija am Morgen davon erzähle (natürlich ist sie um fünf Uhr schon wach) meint sie nur, dass das hier ganz normal wäre und das „Fuckin‘ Gouvernment“ Sicherheitstüren wie in Deutschland einführen sollte. Das hilft dem verzweifelten Mädchen jetzt auch nicht mehr… Hat mich das Ereignis verändert? Vielleicht, weil ich es nun zu schätzen weiß wie gut es mir eigentlich geht und das ich mich glücklich schätzen kann eine Hand voll Menschen in meinem Leben zu haben, um derentwillen ich niemals aus einem Zug springen würde.

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