Montag, 1. September 2008

31.08.08 Gibt es ein Synonym für „Chaos“? Ja: Eine Deutsche in Indonesien!

Mittlerweile weiß ich schon Bescheid. Dachte ich jedenfalls, aber die Indonesier belehren einen immer wieder des besseren. Am Dienstagabend dieser Woche war ich mit Chris und Rosalia in einem Warung (wiedermal, da billig und gut) Abendessen. Ein seltsames, aber leckeres Gericht mit Fleisch, Gemüse und Erdnusssoße-lecker aber zu wenig! Also nochmal gebratene Nudeln mit Gemüse bestellt, der Chris ist ja sogar 4 Portionen. Dazu leckerer Tee, ich liebe es! Danach war ich noch im Internetcafé, hab eine Kretek (Nelken) Zigarrette geraucht und mich eigentlich ganz wohl gefühlt.Keine 20 Minuten später stand ich im Schweiße meines Angesichts, es war glühend heiß und mir war ja sooo übel! Auf dem Roller mit Rosalia hab ich nur gedacht: Schau nach vorne! Schau nach vorne!Gemeinerweise gibt es in fast jeder kleineren Straße Yogyakartas mindestens zwanzig mörderische Geschwindigkeitsschwellen, um die allzu emsigen Rollerfahrer zu bremsen. Ich sitze also hinter Rosi, mein Magen hüpft alle paar Sekunden mindestens 2 Meter in die Höhe und ich versuche verzweifelt unten zu behalten, was unten behalten werden MUSS.Endlich zuhause angekommen checke ich die Gecko-Positionen (zwei am Fenster, ein kleiner an der Badezimmertüre)und belagere den Topf. Diarrhö de luxe! Wußt ich’s doch! Mein Freund ruft mich an, ich liege flach auf dem Bett (der Magen, der Magen) und versuche freudig zu klingen. Ich vergesse alles was ich sagen wollte, bin nur noch froh als ich nach 5 Minuten endlich wieder ins Badezimmer darf. Eine Frage, die sich mir im Akt des Sich-Übergebens aufdrängt: Warum existieren Toilettendeckel und warum gibt es keine automatische zur-Seite-schiebe Funktion für Notfälle? Natürlich müssen mich am selben Abend auch Kati und Vreni anrufen, das Gespräch ist folglich recht kurz: „Hi, Tanja! Wie geht’s dir?“ „Gut- öhm nein, im Moment eher schlecht…“ „Warum?" „Bin grad am Speiben. Könnt ihr morgen nochmal anrufen?“ „Oh…ja klar.“ (stummes Bemitleiden klingt aus dem Hörer) Den restlichen Abend über sitz ich recht ordentlich in der Zwickmühle: Wohin sich übergeben wenn man bereits auf der Toilette sitzt? Am nächsten Tag ist zwar die Übelkeit ein wenig verflogen, trotzdem hüte ich das Bett, schlafe und schlafe und schlafe und belagere das Badezimmer (die Geckos haben sich mit wütendem Zischen verdrückt nachdem ihnen bewusst wurde dass sie hier heute nicht ungestört sind). Überhaupt schläft es sich in Indonesien recht gut. Nachts nicht, da dann die Kröten bellen (wirklich!) und nicht alle meine Hausmitbewohner zu den stillen, zurückhaltenden Indonesiern gehören. Ich werde um halb fünf durch das Morgengebet geweckt, dann putzen die Hausmädchen den Innenhof und gießen Blumen (jaja, die brauchen schon um sechs Uhr morgens Wasser…verrückt!), dann geht’s weiter mit Britney Spears (meine Nachbarin ist etwas westlich geschädigt) und um halb acht kommen die ersten Schulkinder…Ich schlafe also mit Ohropax weiter bis um zwei Uhr mittags und krieche dann völlig dehydriert aus meiner Batik-Decke. Morgen beginnt jedoch das Studium, dann heißt es früher raus, die Vorlesungen beginnen immer um neun und am Montag gibt’s die volle Dröhnung bis drei Uhr nachmittags. Dafür hab ich Donnerstag und Freitag frei, werde dann meinen Batik-Kurs besuchen und zu Daves Haus fahren. Daves Haus…ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, ich muss Fotos machen. Dave ist ein Freund von Dija, Australier und lebt seit 8 Jahren in Indonesien. Er hat sich am Rand von Yogya ein großes, indonesisches Haus gekauft und lebt dort alleine, ist jedoch ständig von Besuchern und Freunden umgeben, die dann dort schlafen und wohnen. Die Umgebung ist ein regelrechter Farbschock! Nach dem ganzen braun und grau in Yogyas Innenstadt erwarten einen hier Reisfelder in einem GRÜN! Sowas gibt’s in Deutschland gar nicht, die Wälder und das Gras dort sind eher dunkelgrün und hier…richtig neonfarben! Es gibt viele Fenster und viel Glas, alles ist offen und eine frische Brise weht durch das Wohnzimmer. Die Küche und angrenzende Zimmer sind mit dünnen Papierwänden und Raumtrennern voneinander abgegrenzt, an Küche und Badezimmer grenzt ein Fischteich und man kann ganz ungeniert mit offenen Schiebetüren zum Teich hin duschen ohne dass einem jemand zugucken kann. Die überdachte Veranda und auch viele andere Zimmerecken laden mit gemütlichen Holzmöbeln und Liegebänken zum nongkrong (rumhängen) ein, im Garten stehen Palmen mit mir unbekannten Früchten und Pflanzen die ich noch nie gesehen habe. Am Tag nach meiner Krankheit fahre ich mit Dija zu Daves Haus, er ist gerade auf dem Sprung, muss seinen Flieger nach Kuala Lumpur bekommen. Greg (ein Freund von Dave aus Australien)kocht einen leckeren Gemüseeintopf, Dija und ich sitzen zusammen mit anderen Freunden von Dave auf der Terrasse. Als nur noch Greg, Dija, ich und ein anderes Mädchen da sind, quatschen wir mit dem Hausmädchen. Die ältere Frau kann es kaum glauben, dass ich noch nie Avocado- Saft getrunken habe und mixt mir gleich einen Shake, frisch aus dem Garten. Den restlichen Nachmittag liege ich in der Hängematte und schlafe beim Zählen der Palmblätter über mir ein. Die viele frische Luft ist Balsam für meine Seele! Schon am nächsten Tag muss ich wieder ins Kantor Imigrasi, bin besonders freundlich und lächle viel. Ich komme um halb zwölf an, muss warten, eine Rechnung begleichen, zurück zum Schalter. Geschlossen?? Mittagspause!!! 1 Stunde warten! Dija und ich essen eine Kleinigkeit in der Kantine nebenan (auch nur ein kleiner, überfüllter Warung). Eigentlich isst nur Dija, ich will meinen Magen noch schonen und lieber später zum Pizza Hut. Ausserdem ist mir bereits der Appetit vergangen, als ich den Typ neben mir mit seinen Hühnerfüßen beim Essen beobachte. Nicht der Typ hat die Füße, er ISST sie! Endlich geht es weiter und ich benehme mich mal richtig typisch Indonesisch und drängle mich vor, schließlich war ich ja auch schon vor ner Stunde da. Nachdem ich mit 3 verschiedenen Beamten gequatscht und ihnen meine Lebensgeschichte erzählt habe, geht alles ganz schnell: Fotos gemacht, Fingerabdrücke genommen (mit einer ganz modernen, digitalen Methode, Stempelkissen ade!), noch was unterschreiben. In 20 Minuten bin ich fertig. Antonia erzählt mir, ihre Gruppe habe 3 Stunden im Kantor Imigrasi verbracht. Bin ein Held… Als ich am Nachmittag mit Dijas Freundinnen im Hotel Tulpik schwimmen gehe und meine Geschichte erzähle (Übelkeit, Kantor Imigrasi, Geckos im Zimmer) lachen sie. Sie lachen auch noch abends im REPUBLIC, dem Club wo ich nun immer Eintritt frei habe, da ich nun schon die Türsteher kenne. Zumindest kennen sie mich. Als weiße Frau ist man eh immer auf jeder Party gern gesehen, ich komme mir schon vor wie im Zoo, wo einen immer alle antatschen und füttern wollen.Als ich mich mit Nils am Freitag zusammen für die Vorlesungen anmelde, kommt ein weiteres Highlight meiner ich-will-doch-gar-nicht-im-Mittelpunkt-stehen Leidensgeschichte: Wir wollen gerade auf den Roller-Parkplatz und unterhalten uns, werden dabei von einer Studentin beobachtet. Nach kurzem Zögern traut sie sich: „Hey, you look so cool!May I take a picture together? “Okay, meinetwegen…geschmeichelt ist man ja schon. Nils und ich gucken mit unseren Sonnenbrillen besonders cool in die Kamera, die Indonesierin zwischen uns mit Victory-Fingern. Überlege ernsthaft ob ich mir Autogrammkarten drucken lassen soll… Die Sonnenbrillen begleiten uns auch am Samstag, abends ist eine Sunglasses-Party. Vorher gehen wir noch schön essen ins Gadjah Wong. Dija und ich kommen nach, die anderen sind schon fast fertig. Wir haben so Hunger, dass ich ganz vergesse ein Foto von den mit Bananenblättern verzierten Tellern zu machen. Ich esse Lamm Bällchen mit scharfer Curry-Sauße, Reis, Gemüse und Obst und leckerem Fladenbrot. Zur Feier des Tages (ich feiere ja in meinen Geburtstag rein) kaufe ich eine Flasche Rotwein aus Chile. Später die Sunglasses-Party, danach gehen wir noch ins REPUBLIC. Dija und ihre verrückten Freunde lassen mich ausrufen und ich bekomme ein Geburtstagsständchen in 3 Sprachen, erst englisch, dann indonesisch und zum Schluss noch von meinen deutschen Freunden. Die Sängerinnen, als pinke Engel (oder Feen?)mit Zepter und Heiligenschein verkleidet werfen glitzerndes Konfetti auf mich herab und ich schäme mich ein bisschen… Später wird noch das Yogya Lied gesungen, der ganze Club ist melancholisch weil die Band nach Bandung gehen wird, der Club ab Montag wegen Ramadan einen Monat geschlossen ist und…ach ja, einfach alles ist traurig, jeder hat Tränen in den Augen und bei den pinken Engeln verläuft ihr Makeup. Am Sonntag verabschiede ich mich morgens von Amelie, Indra und Chris, die wieder nach Deutschland fliegen und ihr viertes Semester antreten müssen. Danach gehen wir wieder schwimmen im Pool, abends noch in ein kleines Warung und ich traue mich Reis und Gemüse zu essen. Bis jetzt bleibt alles unten. Morgen muss ich früh raus, hoffen wir mal, dass sich bis dahin mein Zustand nicht ändert…

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